Wir, das sind Birgit Bappert und Barbara Rigutto, besuchten im Juli 2016 unser Refugio in Martos. Ein besonders wichtiges Merkmal unserer Tierschutzarbeit ist es, dass wir regelmäßig selbst die Hundeauffangstation besuchen. Nur so können wir uns ein aktuelles Bild zur Lage vor Ort machen, unsere vierbeinigen Schützlinge persönlich kennenlernen und Informationen mit Oscar und seinem Tierschutzteam austauschen.
Wir haben keine Zeit zum Ankommen…Bereits am Abend unserer Ankunft erleben wir das Tier-Elend hautnah direkt vor unserem Hotel. Auf einer Baustelle verstecken sich mehrere Katzenkinder unter einem Berg von Schrott und Abfall. Wir beobachten adulte Katzen, die das Gelände immer wieder verlassen und zurückkommen. An Schlaf ist trotz anstrengender Reise und vorgerückter Stunde nicht mehr zu denken… Auch wenn der Portier nicht begeistert sein wird…wir müssen nochmal raus und das Ganze näher betrachten. Das Gelände ist mit einem Bauzaun versehen. Wir finden eine Futter- und Tränkstelle. Es sieht alles frisch aus. Hier ist ein Tierschützer zumindest auf das Problem aufmerksam geworden und versucht, die Not ein wenig zu lindern.
Am nächsten Tag treffen wir Toni, die uns als unsere „Katzenmama“ besonders empfänglich für das Katzenleid bekannt ist. Natürlich ist sie sofort betroffen. Es gibt so viele solcher Stellen. Sie erzählt uns von Mariecarmen, einer Tierschützerin, die ein Kätzchen „Mina“, das sie verletzt gefunden hatte, in einem alten Haus vorübergehend untergebracht hat. Wir machen einen Deal. Wir geben Mina ein Zuhause und sie schauen, was sie vor Ort für die Katzenjungen auf unserer Baustelle erreichen können.
Beim Besuch am nächsten Tag werden wir von Mariecarmen zu einem alten Haus geführt. Dort sind sowohl die Katze Mina als auch die junge Hündin Lucy in zwingerähnlichen Außengehegen untergebracht. Keine Frage für uns: beide bekommen ein Zuhause in Deutschland bei Barbara. In diesem Gefängnis bleiben können sie jedenfalls nicht!
Bildgalerie unten: Mina und Lucy haben es geschafft - glücklich im neuen Zuhause
Wir werden mit Oscar Pläne für eine tierschutzgerechte Versorgung von Katzen besprechen. In den engen Gassen laufen uns so viele über den Weg. Manche humpeln oder sehen abgemagert aus… Eine Auffangstation, in der Katzen stressfrei (fernab vom Hundebellen) behandelt und aufgepäppelt werden können und wo sie nach einer Kastration genesen können. Das brauchen wir in Martos.
Die sengende Hitze zehrt an den Kräften. Wir gehen nachmittags ins Refugio, wo wir Julian und Alba beim Putz-, Fütter- und Pflegedienst begleiten. Beide arbeiten routiniert und wir können uns intensiv um die Hunde kümmern. Es ist einfach unbezahlbar, die Tiere selbst zu erleben und sich ein Bild von ihrem Wesen machen zu können. Wer ist sportlich aktiv und möchte zu einem Hundesportfan? Wer ist eher gemütlich und lässt sich gerne die letzten Jahre seines Lebens von einem Rentnerehepaar verwöhnen?
Bildgalerie unten: Ball-Junkey Zeus hält Barbara auf Trab
Wir suchen den Schatten auf. An Ausruhen ist natürlich nicht zu denken, aber dafür sind wir ja auch keine 2.000 Kilometer geflogen. Das Jungvolk hat uns entdeckt und buhlt mit freundlichen bis aufdringlichen Unterwerfungsgesten um unsere Aufmerksamkeit. Jeder hat zwischen 2 und 4 Hunden im Arm und auf dem Schoß. In wechselnder Besetzung. Soviel Leben und wir dürfen Teil davon sein. Undenkbar, dass diese Hunde vor wenigen Wochen noch herren- und schutzlos auf der Straße herumirrten. Ein gutes Gefühl, sie hier in Sicherheit zu wissen.
Bildgalerie unten: Ausruhen im Schatten? Da haben wir die Rechnung ohne die Youngsters gemacht.
Bildgalerie unten: Bunte Eindrücke aus unserem Refugio
Besonders traurig machen uns unsere Dauersitzer Nati und Attila. Beide sind in die Jahre gekommen.
Attila hätte vor zwei Jahren nach Deutschland gekonnt. Aber: Es meldete sich ein spanischer Interessent, der natürlich den Zuschlag bekam. Leider hat dieser keine ernsthaften Absichten gehabt. Attila sitzt immer noch im Refugio. Wegen seines wuchtigen Wesens isoliert im eigenen Freilauf. Laufen tut er aber nur, wenn man sich mit ihm beschäftigt. Seiner Figur schadet dies sehr. Er ist übergewichtig und seine Leidenschaft ist das Fressen. Zwar werden die Rationen inzwischen reduziert – aber was hat er sonst vom Leben?
Seine Chancen, ein eigenes Zuhause in Spanien zu finden, sind gleich Null. Er ist äußerlich inzwischen nicht mehr so hübsch anzusehen und da ist es doch viel lässiger, sich einen Welpen ins Haus zu holen. Wir sind wütend und traurig zugleich. Natürlich ist dieser 70-Kilo-Bursche eine Herausforderung an einen möglichen Besitzer und es ist schwierig, den richtigen Platz zum Glücklichwerden für ihn zu finden.
Nati hat zwar das gesamte Freigelände des Refugios für sich, aber seit ihr Kumpel Ulysses nicht mehr da ist, trauert sie sehr. Ein Blick in ihre Augen zeigt Resignation. Die Arthrose und das Herzproblem tun ihr Übriges dazu, dass Nati nicht mehr gut laufen kann und sehr schwerfällig daher kommt. Ein eigenes Zuhause, das wäre ihr so sehr zu wünschen. Sie ist nicht anspruchsvoll, aber da sie schwer einzuschätzen ist, was die Verträglichkeit mit anderen Hunden angeht, braucht sie einen Einzelplatz. Bei ihrem Krankheitsbild in Spanien völlig aussichtslos.
Rassebedingt haben 4 Hunde das Problem, dass sie nicht nach Deutschland vermittelt werden dürfen: Luna, Sombra, Leo, Zeus - Sie sitzen jeder in einem Einzelzwinger. Eigentlich lebendig begraben.
Bildgalerie unten: Von Bürokraten zu "Kampfhunden" abgestempelt: Luna, Sombra, Zeus und Leo
Beim Freilauf erleben wir diese Tiere als wundervolle Geschöpfe, als verspielt und friedlich. Ihr Schicksal ist es, im falschen Pelz geboren worden zu sein. Bürokraten haben ihnen den Stempel „Kampfhund“ aufgedrückt. In vielen Ländern ein Todesurteil per se. Diese Hunde haben nicht nur ihr Zuhause verloren, es ist nahezu aussichtslos für sie, wieder ein Zuhause zu finden. Eine Vermittlung ist nur im eigenen Land bzw. in aufgeschlossene Länder wie Österreich und Holland möglich. Bisher kennen wir nur einen Fall, in dem ein Listenhund aus unserem Refugio an eine geeignete Person vermittelt werden konnte.
Damit die lebenslange Einzelhaft erträglicher wird, müssen wir geeignete Unterkünfte errichten.
Eine weitere Notwendigkeit ist eine Station zur Aufnahme von Müttern mit ihren Welpen bzw. alleingelassenen Welpen. Dieses Welpenhaus hat oberste Priorität. Unsere schwächsten Insaßen brauchen Schutz, ein auf ihre Bedürfnisse optimal eingerichtetes Platzangebot. An Oscars Schilderung erkennen wir, wie wichtig das Thema für ihn ist.
Eine sehr erfreuliche Entwicklung nimmt das Thema Pflegestellen zur schnellen Aufnahme verwahrloster Hunde in Martos. Oscar und sein Team haben inzwischen ein gutes Netzwerk aus Pflegefamilien geknüpft. Wir lernen Jane und Scotty kennen, ein englisches Ehepaar, das seinen Lebensabend in Martos verbringen wird. Sie wohnen in einem Haus mit einigen Pflegehunden. Der Empfang ist sehr herzlich. Sie haben - unabhängig von unserem Refugio - angefangen, Hunde von der Straße zu holen. Beide haben viel erlebt in ihrem Leben. Sie sind bodenständig und das gemeinsame Interesse, den Hunden zu helfen, schlägt sofort eine Brücke zu intensiven Gesprächen.
Bildgalerie unten: Besuch bei Jane und Scotty
Jane und Scotty sind eine große Hilfe, sozusagen die Auffangstation für die eher kleinen, kranken, versorgungsbedürftigen Hunde, wenn unser Refugio aus allen Nähten platzt.
Dank moderner Kommunikationsmittel können wir diesen wichtigen, freundschaftlichen Kontakt in Zukunft ganz besonders gut pflegen. Erfahrene Pflegefamilien sind eine wichtige Stütze für die Tierschutzarbeit in Spanien. Wir freuen uns, so positive Leute kennengelernt zu haben. Das gibt Kraft bei all dem Elend, das auf den Straßen herrscht.
Am Abend vor unserer Heimreise treffen wir das ganze Tierschutzteam nochmal. Das ist für alle wichtig. Wer sind die Spanier - wer sind die Deutschen? Ein riesiger Tisch wird gebraucht, um alle unterzubringen. Es plaudert nur so durcheinander. Diese gegenseitige Wahrnehmung ist wichtig für alle zum Durchhalten. Jeder macht einen guten, anspruchsvollen Job. Bezahlt wird niemand dafür. Viele Stunden Ehrenamt – unendlich viele. Aber wir fühlen uns als eine verschworene Gemeinschaft. Wir bringen Hoffnung, wir retten Leben! Und dürfen auch stolz darauf sein!!!
Mit Jane und Scotty haben wir noch ein bisschen mehr Internationalität in unserer Gruppe aufgenommen. 2.000 Kilometer Entfernung sind nicht mal kurz zu überwinden, um etwas zu klären. Schade, wir Deutschen würden uns gerne viel öfter tatkräftig um unsere Hunde kümmern. Uns bleibt hauptsächlich das Bürokratische, die Zuarbeit aus der Ferne. Aber wir können auch eher mal abschalten. In Martos begegnet man dem Elend an vielen Ecken. Es gibt bestimmt viele Momente, da möchten die spanischen Tierschützer lieber mit uns tauschen…
Wir verabschieden uns und sind glücklich darüber,
Danke unserem Team in Martos – macht weiter so!
Danke unseren Spendern – bleibt unseren Hunden bitte treu!
Danke unserem Team in Deutschland – ihr seid mit vielen Stunden im Hintergrund die Wurzel einer tollen Tierschutzarbeit.
Wir sind noch voller Erinnerungen an unseren Besuch und bereits voller Vorbereitungen für unsere Hausaufgaben, die wir mitgebracht haben, da erreicht uns folgende traurige Nachricht:
Unser guter Attila starb am 1. August 2016 infolge einer Entzündung, die sich rasend schnell in seinem Körper ausbreitete und nicht mehr eingedämmt werden konnte. Er lag allein in seinem Bett…wie wichtig wäre für ihn ein richtiges Zuhause mit individueller Bezugsperson gewesen. Zumindest aber starb er nicht im Straßengraben oder einer Erdhöhle, wie es das Schicksal vieler Straßenhunde in Martos ist. Er wurde versorgt und war der besondere Freund von Tierpfleger Julian.
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